Oft wird uns gesagt, dass unsere Gesellschaft gerade eine sehr große Krise durchlebt. Unter einem gewissen Aspekt ist dies sicherlicherweise wahr, weil viele traditionelle Istitutionen und Bezugspunkte gerade einstürzen. Die Familie, die Schule, die Kirche, sogar die Politik scheinen den Sinnhunger der Menschen nicht mehr zu stillen. Doch je mehr diese Bezugspunkte einstürzen, umso mehr steigert sich der Sinnhunger. Es liegt nämlich in der Natur des Menschen, nach Sinn zu suchen.
Doch stellt jede Krise, persönlich wie auch im Kollektiv, immer auch eine große Gelegenheit dar. In jeder Krise steckt immer auch ein sehr großes Entwicklungspotential. Ich glaube, dass diese Bezugspunkte gerade einstürzen, weil eine bestimmte Vorstellung über die Menschheit gerade einstürzt. Aus diesem Grund spricht man immer öfter über eine anthropologische Krise. Wir sind an der Grenze zu einem evolutiven Sprung angekommen. Deswegen ist diese Zeit so reich an Möglichkeiten, aber auch sehr gefährlich. Wir könnten die Richtung der evolutiven Entwicklung gehen, oder aber die der Zerstörung. Es gibt einen sehr großen Mangel an Orten, wo diese Themen diskutiert werden, wo die Zerbrechlichkeit der Menschen angenommen werden kann und wo die Menschen in Freiheit, ohne sich zu schämen, darüber sprechen können. Warum sind immer mehr Menschen und Jugendliche drogen- und alkoholabhängig? Was suchen sie? Welche Schmerzen möchten sich auf diese Weise heilen? Oder welche Erfahrung möchten sie machen? Diese Umstände zeugen nicht nur von einem Unbehagen, sondern auch von dem Wunsch, ein erfülltes Leben zu haben. Wenn in dem Menschen eine negative, zerstörende, dunkle Seite existiert, existiert aber auch der Wunsch, zu bilden und zu erschaffen, seinen Geist mit Worten zu ernähren, die ihm Hoffnung, Kraft und Liebe geben. Worte, die ihn sich besser fühlen lassen. Das Herz des Menschen möchte tiefgehende, authentische und erfüllende Beziehungen zu anderen Menschen haben. Das Herz des Menschen möchte ausstrahlen, Leben in verschieden Formen schenken, glücklich sein. Doch sind wir sehr oft im Kontakt mit unseren depressiven und negativen Seiten, die ihre Gründe haben, zu existieren und wenn sie nicht gehört und nicht in uns integriert werden, werden sie immer stärker. Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir neue Möglichkeiten, neue Orte, eine neue Art und Weise zu sprechen finden sollten, um solchen Themen den richtigen Platz zu geben. Doch gibt es auch einen Teil von uns, der überzeugt ist, dass diese Themen unwichtig sind. Aber wie können wir neue und innovative Lösungen für die Herausforderungen, die auf uns warten, finden, wenn wir noch immer mit den alten Denkmustern denken? Wir sollten uns auf die Seite unseres Ichs stellen, die in die Richtung “geboren werden” geht.